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Toraja: Leben und sterben mit den Büffeln

Die erste Station auf der Insel Sulawesi war das Toraja-Land. Die Leute da pflegen einen ganz speziellen Totenkult. Ebenso lockte uns das Hochland mit den Reisfeldern. Die Fahrt vom Flughafen in Makassar bis nach Rantepao (grösste Stadt in Tanah Toraja) dauerte gute acht Stunden - auf kurvige Strassen ging es bergauf und -ab. Wir übernachteten mitten im Toraja Land bei Rosalina’s Homestay. In Indonesien gibt es überall sogenannte Homestays. Früher konnte man da gegen Arbeit gratis wohnen. Heute bezahlt man für ein Zimmer mit Frühstück bei einheimischen Familien ein kleiner Betrag und kann so gut und günstig übernachten. Der Blick von der Gemeinschaftsterrasse über das Reisfeld mit den weidenden (und badenden) Büffeln hatte etwas sehr entspannendes, da störte einem nicht mal mehr den Lärm von den lauten Motorrädern.

Mit Guide Martin wollten wir der Kultur näher kommen. Er führte uns am Samstagmorgen auf den Büffelmarkt. Die Tiere nutzt man nicht auf dem Feld. Dafür gäbe es den japanischen Büffel, schmunzelte Martin. Hier sind die Tiere ein Statussymbol und kommen nur an Beerdigungen zum Einsatz. Sie werden geopfert. Die Anzahl der getöteten Büffel widerspiegelt den Wohlstand der Familie des Verstorbenen. Superreiche Familien opfern bis zu 25 Büffel. Normalerweise sind es zwei bis sechs Tiere. Im Toraja-Land ist die Nachfrage für die Opfergaben grösser als das Angebot aus der eigenen Zucht. Deshalb importieren die Leute Vieh aus Borneo und Sumatra. Diese Frischankömmlinge waren noch ganz dünn. Mit viel Liebe füttern und pflegen (inklusive täglicher Dusche) die Bauern die Wasserbüffel, bis sie die grossen und stämmigen Tiere für gutes Geld verkaufen. Dabei ist Büffel nicht gleich Büffel. Bis zu 35 000 USD kosten die wertvollsten Exemplare. Diese sind hellhäutig und haben blaue Augen (man nennt sie in unseren Breitengraden auch Albinos). Uns gefielen die dunklen besser, die sehen schon sehr majestätisch aus. Mit viel Respekt vor den starken Tieren mit den riesigen Hörnern suchten wir uns einen Weg durch die Viehausstellung. Nebenan war dann gleich der Schweinemarkt. Auch diese Tiere werden an Beerdigungen geopfert. Das Fleisch der geschlachteten Tiere verteilen die Familien im gesamten Dorf. 99 Prozent der Torajas sind heute aufgrund der Missionierung Christen, haben aber viele Rituale ihres früheren Glaubens beibehalten. So glauben sie noch immer, dass die geopferten Tiere der Seele des Verstorbenen den Weg ins Paradies zeigen. Bis ins 19. Jahrhundert wurden als „Begleitschutz“ auch Sklaven geopfert. Davon ist man nun glücklicherweise abgekommen.

Stirbt eine Person, wird sie über mehrere Monate oder sogar Jahre behandelt, als wäre sie noch lebendig. Früher war der Leichnam mumifiziert, heute verseht man ihn mit einer Flüssigkeit, damit er nicht verwest. Die Zeit bis zur Bestattung benötigen die nahen Verwandten, um Geld für die aufwändige Beerdigung zusammenzutragen und einen Termin zu finden, an welchem alle Familienangehörigen teilnehmen können. Die Trojas glauben, dass die Seele nur ins Jenseits gehen kann, wenn alle Verwandten anwesend sind und wenn der Leichnam an seinem Geburtsort bestattet wird. In einem kleinen Dorf nahe bei Rantepao war es an diesem Wochenende soweit und die vor acht Monaten verstorbene Frau konnte begraben werden. Anfangs waren wir skeptisch, weil wir als Fremde doch nicht einfach in eine Beerdigung platzen können. Aber Martin überzeugte uns, dass die Familien sich über jeden Besucher freuen. Wir sollten aber ein Geschenk mitbringen. Für einen Büffel reichte unser Budget nicht und die Schweine quietschten zu laut, so wären wir nur aufgefallen. Martin schlug uns vor, eine Stange Zigarette oder den Gegenwert in Bargeld zu geben. Wir packten 150 000 Rupien (12 Franken) in einen Umschlag und machten uns auf den Weg zur Beerdigung einer Person, von der wir nichtmal den Namen kennen (schon ein bisschen komisch?!). Bei der Ankunft viel uns gleich auf, dass es dieser Familie nicht schlecht geht. Auf ihrem Anwesen standen gleich mehrere im traditionellen Stil gebaute Häuser und Reisscheunen. Diese Tongkonan sind traditionelle Ahnenhäuser. Das Dach besteht aus mehreren Schichten Bambus und hat eine schiffsähnliche Form. Das Holz an den Aussenwänden ist sehr aufwändig bemalt und mit Schnitzereien verziert. Die Familien leben aber in modernen Häusern nebenan. An Beerdigungen kommen die Tongkonans zum Einsatz. Dazwischen stellte man noch mehrere provisorische Bambushütten auf. Wie Tribünen sind sie nummeriert, damit jeder der über tausend Gästen weiss, wo er sich platzieren kann. Uns wurde auch ein Häuschen zugewiesen. Mit Blick auf die Blutlache des zuvor mit einer Machete getöteten Büffels warteten wir, bis die Zeremonie losging. Die Tochter der Verstorbenen servierte uns Tee und Gebäck. Was uns genau erwartet, wussten wir nicht. Insgeheim hoffte ich, dass nicht noch ein weiterer Büffel vor unseren Augen niedergemetzelt wird. Plötzlich tauchte der Sarg auf. Wir waren uns zuerst unsicher, ob da wirklich die Leiche drin ist. Grölende und schreiende Männer trugen die tote Person rund um das Anwesen und schaukelten sie auf alle Seiten. Mir kam das eher vor wie ein Fastnachtsumzug und man musste aufpassen, dass man nicht vom Sarg gerammt wurde. Mit den ruckartigen Bewegungen in alle Richtungen wollen sie die bösen Geister verwirren. Trauern tut man nicht, denn der Glaube an das paradiesische Weiterleben nach dem Tod ist bei den Trojas besonders stark. Wir verliessen das Gelände, bevor der nächste Büffel geopfert wurde. Die Beerdigung dauerte aber noch zwei Tage, bis der Sarg dann endgültig in einem Steingrab beigesetzt wurde.

Bei einer kurzen Wanderung durch Reisfelder und kleine Dörfer konnten wir die vielen Eindrücke verarbeiten. Die Kinder wuschen Büffel und führten diese spazieren. Aus allen Ecken rief man uns ein freundliches „Helo“ zu. Jugendliche nahmen ihren Mut zusammen und wollten mit uns ihr Englisch üben. 99 Prozent aller Kinder im Toraja-Land besuchen die Schule. Dies ist eine der höchsten Rate in ganz Indonesien. Uns ist aufgefallen, wie gut die Leute da verschiedene Sprachen beherrschen. Wir hörte Guides, die sprachen besser Hochdeutsch als wir - vom Französisch reden wir schon gar nicht.

Ebenso speziell wie die Zeremonie ist die Art der Bestattung. Am zweiten Tag gab es deshalb eine „Bestattungstour“. Als erstes besichtigten wir ein Steingrab. Diese Methode wird bis heute praktiziert. Die Särge legt man dabei in eine ausgehöhlte Stelle in einem Felsen. Daneben platzieren die Familien nicht ein Foto der Verstorbenen, sondern eine Holzfigur. Wir waren beeindruckt von diesen Statuen. Zum Teil sehen diese unheimlich echt aus. Die Toten werden nicht in den Boden vergraben, weil die Familien diese Fläche für den Anbau von Reis, Gemüse und Kaffee brauchen. Früher als man die Löcher von Hand mühsam in den Stein meisseln musste, legte man die Holzsärge lieber auf Balken in Höhlen, um die Leichen vor hungrigen Tieren zu schützen. Mittlerweile ist man von dieser Variante abgekommen. Die Höhlen sind aber noch immer da und darin ist es ziemlich gruselig und makaber. Wegen dem morschen Holz sind etliche Särge heruntergefallen und überall liegen Skelettteile herum. Die Ahnenfiguren aus Holz wachen über die zerfallenen Särge und schön gestapelten Totenköpfe.

Damit die Liste der Begräbnisarten auch wirklich komplett ist, besuchten wir noch ein Baby-Grab. Dieser Brauch praktizierten die Toraja bis Anfangs des 21. Jahrhunderts. Verstarben Kinder, bevor sie Zähne hatten, machte man für sie eine Höhle im Baumstamm und legte sie in der Embryo-Stellung da rein. So soll das verstorbene Baby mit dem Baum weiter wachsen. Für die Gräber kamen nur Bäume mit einem weissen Saft in Frage. Dieser symbolisiert die Muttermilch.

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