Huangshan: Der gelbe Berg ruft tausenden Touristen
- Nadia & Roger
- 18. Aug. 2016
- 5 Min. Lesezeit
Nach dreizehn Stunden im Nachtzug kamen wir in Hangzhuo an. Unser Ziel war aber Huangshan, weshalb die Reise noch mit dem Bus weiterging. Nach einer Fahrt quer durch die Stadt, wurden wir am Busbahnhof von einer gewaltigen Menschenmasse begrüsst. Wir fragten uns mit Zeichensprache bis zum Ticketschalter durch. Am Schalter erklärten sie uns, der Bus fahre bei Gate 14 ab. Aber um zum Gate zu kommen, müssen wir uns bei der Schlange hinten anstellen und durch den Sicherheitscheck gehen. Wir haben noch nie eine so lange Schlange von Menschen gesehen (schätzungsweise 1 Kilometer). Hätten wir uns da hinten eingereiht, hätten wir bestimmt den Bus verpasst (der erst 2 Stunden später fuhr). Also nutzten wir den Ailienbonus voll aus und pressten uns so weit vorne wie möglich in die Menschenmasse rein. Nach drei Sicherheitschecks erreichten wir ein bisschen genervt vom Drängeln den Warteraum. Nun mussten wir nur noch dem Hotel Bescheid sagen, dass wir später eintreffen, als geplant. Leider haben wir telefonisch niemanden erreicht und auch das Mail hat keiner gesehen. Die arme Angestellte wartete ganz geduldig zwei Stunden auf uns, weil ihr Boss das Mail nicht gelesen hat.
Tunxi in Huangshan wirbt mit seiner schönen und gut erhaltenen Altstadt und dort mittendrin steht unser Hotel. Eine Gasse mit gemütlichen Häuschen und traditionellen Läden. Unser Zimmer im Dachgeschoss mit Holzwänden war sehr gemütlich, aber die Klimaanlage war unverzichtbar. Während den vier Tagen machten wir Ausflüge zu den Neun-Drachen-Wasserfällen, ins Liebes-Tal (Emerald Valley) und natürlich zum gelben Berg, weshalb uns wenig Zeit blieb, das Hotel zu geniessen. Obwohl immer wenn man in dieser ruhigen Oase mit dem sehr freundlichen Personal angekommen ist, wollte man am liebsten nicht mehr raus in diese Menschenmassen.
Uns war es definitiv zu heiss (39 Grad) und wir sehnten uns nach einer Abkühlung in einem klaren Bergbach. Da funkelten unsere Augen, als wir die Bilder von den Gewässern im Emerald-Valley sahen. Die Badesachen gepackt und eine grosse Wasserflasche unter dem Arm, charterten wir in der Euphorie ein Privattaxi für einen ganzen Tag. Der erste Halt machten wir bei den Neun-Drachen-Wasserfällen. Eine gemütliche Anlage mit diversen Wasserfällen und schönen gasklaren Pools (unsere Badesachen waren im Auto, da wir uns erst beim nächsten Stipp nass machen wollten). Auch mehrere Tempel sind im Areal. Nach etlichen Stufen erreicht man den Drachenherz-Pool. Keine Ahnung warum der Pool so heisst, aber wir sahen auf jeden Fall keinen Menschen in diesem Pool planschen.
Weiter ging es im Taxi zum Emerald-Valley, wo wir aufgrund von Berichten auf Tripadvisor ruhige Ecken und schöne Badeplätze zum Abkühlen erwarteten. Doch schon kurz nach der Kasse (wo wir teure 25 Franken pro Person bezahlten) wurde uns klar, dass das mit Ruhe schwierig wir. Viele Menschen. Wir gingen weiter und entdeckten schöne blaue Lagunen, die zum Baden einluden, nur leider waren überall Verbotstafeln. Nicht mal die Füsse darf man tunken. Käsefüsse? An jeder Ecke stand ein Polizist und sorgte für Ordnung, im Wasser war kein Mensch. Wir versuchten es weiter oben. Dort war noch mehr Sicherheitspersonal stationiert. Wir spielten mit dem Gedanken, als Ahnungslosen in Wasser zu fallen, wollten aber nicht hingerichtet werden und liessen es deshalb bleiben. Das grenzt an Menschenquälerei, wenn man bei 40 Grad nicht mal ins Wasser darf. Völlig enttäuscht gönnten wir uns ein Eis zur Abkühlung und gingen zum Taxi zurück.
Am zweiten Tag nahmen wir es gemütlich. Wir schlenderten durch die Altstadt mit dem Ziel, für Nadia neue kurze Hosen zum Wandern zu finden. Erfolglos. Stattdessen kauften wir ein Seidenhemd für den Herrn und bestickte, luftige Baumwollhosen für die Dame. Dazwischen pausierten wir an Fruchtsaftständen und schlemmten Dim Sum. In der Altstadt gibt es übrigens viele gute Restaurant. Wenn man mal verstanden hat, wie man bestellt (man bekommt eine Karte, wo man die Bestellung ankreuzt) begibt man sich auf eine kulinarische Entdeckungsreise. Wir machen weiterhin sehr gute Erfahrungen, wenn man sich einfach an das günstige Gemüse und Fleisch hält und auf die Empfehlungen der Küchenchefs (Schlange, Aal, Schnecken, usw.) verzichtet.
Weil es so heiss war und der Eintritt auf den Berg Huangshan (eine der Top Sehenswürdigkeiten in ganz China) wieder ein halbes Vermögen kostet, überlegten wir lange, ob wir das wirklich machen wollten. Aber da wir eigentlich nur deswegen den Weg nach Tunxi auf uns genommen haben, gaben wir uns einen Ruck und machten uns frühmorgens um 7 Uhr auf den Weg. Die englisch sprechende Dame im Hotel hat uns die Route bis zur Talstation am Berg Schritt für Schritt aufgeschrieben - in chinesischen Zeichen. So mussten wir im Taxi, am Busbahnhof und beim Park-Eingang nur unseren Zettel hinhalten. Das funktionierte wie am Schnürchen und trotzdem war es 11 Uhr, bis wir endlich auf dem Berg waren. Diese Distanzen sind wir Schweizer uns einfach nicht gewohnt. Und das Anstehen an den Bahnen (eine Stunde - und das sei wenig!!) noch weniger. Die Fahrt in der Gondel über die skurrilen Felsformationen war beeindruckend. Herzig war, wie die Chinesen bei jedem Mast fast in die Hosen machten. Weniger herzig waren die vielen Menschen oben auf dem 1800 Meter hohen Berg. Die Chinesen sind regelrechte Herdentiere. Alle watschelten einem Guide mit der Fahne und einem dröhnenden Mikrofon hinterher. Nichts mit ruhiger Bergidylle. Die Hauptroute ging man auf Treppen in Kolonnen den Berg hinauf. Viele sind im Sonntagskleid mit Halbschuhen unterwegs - aber ein Holzstock muss sein, auch wenn keiner weiss, wie damit umzugehen ist (sie schwenken den einfach im Zeugs herum). Man musste also auch noch aufpassen, dass man beim Überholen nicht über deren Stöcke stolperte. Wer meint, der Pilatus oder die Rigi sei überlaufen, der war noch nie auf einem Berg in China. Wir hätten am liebsten rechtsumkehrt gemacht.
Aber eine letzte Hoffnung hatten wir noch: Immer wieder sieht man in den Medien Bilder von diesen am Fels hängenden Holzstegen in schwindelerregender Höhe. Wir wussten, dass diese irgendwo hier auf dem Berg sein mussten. Nicht, dass wir da wirklich drüber laufen wollten. Es ging mehr darum, das einmal gesehen zu haben und den Menschenmassen zu fliehen. Also suchten wir den Weg zu diesem West-Canyon, wo auch die Fairy-Brigde sein muss - eine Steinbrücke in luftiger Höhe zwischen zwei Felsen gebaut. Es ist kaum zu glauben, aber kaum entfernten wir uns 100 Meter von den Hauptwegen, hatten wir die Pfade für uns alleine. Es war so herrlich ruhig. Obwohl wir sonst beide keine grosse Freunde von tiefen Abgründen sind. machten uns diese komischerweise überhaupt nichts aus. Es war einfach schön, mal Ruhe zu haben. Und die Fairy-Brige war dann auch wirklich unheimlich. Ich (Nadia) überquerte sie zwar und posierte für ein Foto, aber runterzuschauen getraute ich mich nicht. Der Weg zurück auf den Gipfel war dann sehr schweisstreibend (vielleicht ist auch das der Grund, weshalb nur vereinzelte Chinesen da runter gehen). Zurück im Gedrängel mussten wir dann noch gut 1.5 Stunden inmitten der Massen zur Bergstation wandern. Wir überlegten uns, runterzulaufen um die Kolonne bei der Bahn zu umgehen. Aber einerseits waren unsere Beine zu müde und anderseits fanden wir den Weg nicht. Kaum sassen wir in der Gondel, zog ein Gewitter auf und der Blitz schlug in unmittelbarer Umgebung ein. Vielleicht traf er sogar die Bergstation. Auf jeden Fall stoppte die Bahn und wir hingen 10 Minuten ahnungslos in der Luft. Wir konnten beobachten wir der strömende Regen an den Feldwänden unzählige Wasserfälle entstehen liess und der Weg runter ins Tal wurde zu einem strömenden Fluss. Zum Glück entschieden wir uns für die Bahn. Platschnass stiegen wir in den klimatisierten Bus zurück nach Tunxi. Das war dann wohl auch der Grund für die Erkältung.
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